Die Verschwörung der Frauen
Darstellendes Spiel deutet Homers Odyssee um
Schon seit einigen Wochen waren wunderschöne farbige Plakate im Schulhaus befestigt gewesen, von einem bildenden Künstler (Herrn Thorwartl senior) sehr geschmackvoll gestaltet, Plakate, die vier Aufführungen der Gruppe „Darstellendes Spiel“ in der vorletzten Schulwoche ankündigten. „Die Verschwörung der Frauen“ sollte das Stück heißen, und wir freuten uns alle schon darauf, da wir wieder – wie in den Vorjahren – Vergnügliches erwarteten.
Diesmal gab es tatsächlich endlich viel zum Lachen! Nachdem das treue Publikum in den letzten Jahren zu Schulschluss stets mit schwerer Kost, nur leicht gewürzt mit komischen Elementen, gefüttert worden war, setzte man uns heuer endlich die lang ersehnte Komödie vor. Der Textautor, Herr Professor Thorwartl, hatte sich Homers „Odyssee“ vorgenommen und diese kräftig uminterpretiert: Alles führt er auf einen „Zickenkrieg“ der Göttinnen zurück, und die handelnden Personen, also Odysseus und seine Mannschaft, pochen am Schluss darauf, völlig unschuldig an den Ereignissen zu sein, denn sie wurden ja schließlich von den Göttinnen Artemis und Aphrodite manipuliert.
Doch zurück zum Anfang. Alles beginnt mit einer Intrige der Göttinnen Aphrodite und Artemis (wahrhaft göttlich gespielt von Saphira von Herz und Florentina Kössler, die sich zwar nicht riechen können, sich aber trotzdem verbünden, um ihrer Schwester Athene zu schaden. Und sie schaden ihr, indem sie ihren Liebling Odysseus, den „Dulder“ (modern würden wir wohl sagen: den armen Mann), quälen.
So nimmt also alles seinen Lauf. Artemis´ Freundinnen erhalten den Auftrag, die Männer-Horde mit den Waffen der Frau auf die Insel der Lotophagen zu locken. Sie tun es, obwohl sie den sexualisierten Blick des Mannes verachten und um Autonomie ringen, um selbstbestimmtes Frau-Sein. Hüftwackeln wechselt also mit feministischer Kunstkritik, Wimpernklimpern mit aggressiven Kastrations-Phantasien ab. Das Stück präsentiert Rollenklischees, die deutlich machen: So kann das Miteinander der Geschlechter nicht funktionieren. Schließlich solidarisieren sich in „Sirenen“ alle weibliche Figuren des Stücks, um im Women´s Walk auf die Schieflage des Geschlechterverhältnisses aufmerksam zu machen. Wie gesagt, „Die Verschwörung der Frauen“ spielt einseitig-lächerliche Interpretationen des Mann- und Frau-Seins durch. Köstlich sind die Göttinnen, die selbstverliebt-genusssüchtige Aphrodite und die strenge, ihre Unsicherheit kaschierende Artemis, aber auch die frustrierte Ehefrau Penelope (großartig gespielt vom Nachwuchstalent Madeleine Matyk Dánjony, die es ihrem Ehemann Odysseus äußerst übelnimmt, dass er nur mal eben Zigaretten holen wollte und 20 Jahre ausbleiben wird. Da kann sie sich auch für ihr kleines Baby nicht wirklich erwärmen, ganz im Gegensatz zu den beiden verzückten Kindermädchen, die von jedem Pups des Säuglings zu Begeisterungsstürmen hingerissen werden (Ilona Konradsheim und Natalie Savic).
Auf der anderen Seite Odysseus (Benedikt Wolf) und seine Freunde. Sie wollen rauben und morden, also „echte“ Männer sein, und berufen sich in ihrem Unschuldswahn auf Instinkte und Hormone. Sie stolpern in zahlreiche Fallen und erliegen dem (gespielten) Charme der Frauen, denen sie begegnen. Odysseus selbst verliebt sich wie auch im antiken Mythos in Kirke und Kalypso. Allerdings handelt es sich hier in Wirklichkeit um die beiden Göttinnen Aphrodite und Artemis. Berührend ist das Liebespaar Kallisto (Yasmin Jahn) und Leander (Kevin Koller). Wie im Märchen kommen der (scheinbare) Dümmling und die Prinzessin zusammen.
Großartige komische Talente zeigten sich wieder in dieser Aufführung. Zuallererst möchte ich Max Heppner und Sebastian Podgorzak nennen. Max gibt den Thersites, einen Gefährten des Odysseus, der mit seinen sarkastischen Kommentaren immer wieder für Heiterkeit bei den Zuschauern sorgt. Ein komischer Höhepunkt des gesamten Stücks war für mich sicher die Szene, als er sich als Jungfrau verkleidet, um die Trojaner dazu zu bewegen, das hölzerne Pferd in die Burg zu ziehen. Sebastian wiederum ist Hermes, der Götterbote mit den Flügelschuhen, ganz in Gold gekleidet. Sein Körper ist unglaublich biegsam und wendig, leichtfüßig tanzt er über die Bühne, stolz darauf, super-sexy zu sein. Aber vor seinen Schwestern Artemis und Aphrodite hat er gewaltigen Respekt und nimmt mehr als einmal Reißaus vor ihnen.
Es gab sehr viel zum Lachen. Das Publikum lachte so schallend, dass die Schauspieler fast nicht mehr weiterspielen konnten, weil sie am liebsten mitgelacht hätten. Es bedurfte also – nach Auskunft der Mitwirkenden – größtmöglicher Selbstbeherrschung, um nicht aus der Rolle zu fallen. Trotzdem wurden aber auch ernste Themen angesprochen. Etwa gab es Anspielungen auf die „Me Too“-Debatte, Fragen der Gleichberechtigung der Frau, auf Körperkult und Drogenmissbrauch. Schließlich kam auch die Frage auf, ob die Welt ohne Männer nicht vielleicht besser wäre. Schließlich kommen auch die Rennechsen ohne Männchen aus…
Auch Rätselhaftes wurde uns wieder geboten. So etwa die Sage von der Knochenfrau, über deren Bedeutung das Publikum auch lange nach der Aufführung noch diskutierte. Aber so soll es ja auch sein: Jede Zuschauerin/ Jeder Zuschauer hat die Möglichkeit, das Stück auf ihre/ seine Weise zu interpretieren und „mitzunehmen“, was für sie/ ihn passt. Und manche Fragen sollen durchaus offen bleiben, das macht gutes Theater aus.
Die schauspielerischen Leistungen waren, wie erwähnt, durchwegs hervorragend. Auch die jüngeren Mitwirkenden, die vielleicht zum ersten Mal dabei waren, haben tolle Leistungen gezeigt. Sehr schade (für uns) ist, dass einige der Besten im heurigen Schuljahr ihre Matura abgelegt haben und uns daher nächstes Jahr nicht mehr erfreuen werden.
Zuletzt noch ein paar Worte zum Leading Team: Sie haben wieder Übermenschliches geleistet. Den drei Regisseuren, Frau Prof. Eder (sie hatte auch einen beeindruckenden Auftritt am Schluss des Stücks und hat bewiesen, dass sie schauspielen kann, falls jemand Zweifel gehabt haben sollte), Niko Murnberger und Prof. Thorwartl, ist es – trotz der Länge des Stücks von fast drei Stunden – wieder gelungen, die etwa 30 Akteure zu einer homogenen Truppe zusammenzuschweißen und eine wirklich überzeugende Aufführung zu gestalten. Perfekt war Matthias Leeb bei Licht und Technik, beeindruckend die Fülle der Kostüme und Requisiten.
Auch alle anderen Beteiligten, die hier aus Platzmangel nicht namentlich genannt werden konnten, haben in ihren jeweiligen Rollen oder Aufgaben ganze Arbeit geleistet. Theater ist schließlich Teamarbeit. Der einzige, der nicht mitgearbeitet hat, war der Wettergott. Denn er hat uns im Saal eine solche unmenschliche Hitze beschert, dass wir das Ereignis nicht so genießen konnten, wie wir es gerne getan hätten.
Ingrid Rössler
Es wirken mit: MATYK DÁNJONY Madeleine, ROHANI- AMIRI Sara, SCHÄFER Isabelle, KOLLER Kevin, PIRIBAUER Veronika, PODGORZAK Sebastian, WOLF Benedikt, ALTENBURG Maria-Elisabeth, BEDNARIK Marlies, GUEORGUIEVA Ekatherina, GALUSZKA Lidia, JAHN Yasmin, RAINER Linda, PRZYBYLOWICZ Laura, SAVIC Natalie, VON HERZ Saphira, KNAPP Florian, KÖSSLER Florentina, MAJOR Lara, ZHANG Daniel, HUBER Gilian, KONRADSHEIM Ilona, PESCHETZ Oskar, WAGENTRISTL Richard, HEPPNER Maximilian, EDER Marianne.
Regie: Marianne Eder, Niko Murnberger, Alexander Thorwartl
Licht und Technik: Matthias Leeb
Maske: Lara Major
Pussy-Hats: Peter Krauthaufer
Schiffe: Thomas Brachinger
Plakat und Knochen: Walter Thorwartl
„Lamuahadscha“ und „Stockerauer Menü“ mit freundlicher Genehmigung von Clemens Sainitzer
Fotos: Martin Pitschieler
Inhalt: Odysseus und seine Freunde durchpflügen die Meere – und stolpern durchs Leben. Verwüsten Troja. Geraten in die Fänge einer Sekte. Werden in der Höhle eines Monsters beinahe aufgefressen. Und immer wieder prallt der umherirrende Männertrupp auf das andere Geschlecht.
Odysseus ahnt nicht, dass er und seine Gefährten Teil eines Spiels sind. Denn Aphrodite und Artemis wollen ihrer Schwester Pallas Athene einen Denkzettel verpassen.
Als sich die beiden mit Penelope zusammentun, die mit der Aussicht, zwanzig Jahre ohne ihren Odysseus auskommen zu müssen, einem Rundumschlag gegen die Männerwelt Ithakas zustimmt, taucht die folgenschwere Frage auf: Wozu braucht man eigentlich Männer?